Wechseljahre & Gewicht – Warum sich Fettverteilung und Stoffwechsel verändern
„Plötzlich passten meine Hosen nicht mehr – obwohl ich weder mehr gegessen noch weniger Sport gemacht hatte.“ So oder ähnlich klingt es von vielen Frauen, die sich in der Lebensmitte mit unerklärlicher Gewichtszunahme konfrontiert sehen. Besonders frustrierend: Selbst gewohnte Strategien wie weniger essen oder mehr Bewegung scheinen weniger zu bewirken als früher.
Über 50 % aller Frauen nehmen während der Wechseljahre an Gewicht zu. Langzeitstudien zeigen, dass dies im Schnitt 1,5 kg pro Jahr ausmacht – bis zum Ende der Wechseljahre kann das eine Zunahme von bis zu 10 kg bedeuten. Dabei geht es nicht nur um das Gewicht selbst, sondern auch um eine veränderte Fettverteilung: Weg von Hüften und Oberschenkeln – hin zur Bauchregion.
Diese Entwicklung ist nicht allein eine Frage des Aussehens, sondern hat konkrete gesundheitliche Implikationen. Gleichzeitig ist unser Blick auf Körper, Gewicht und Schönheit stark durch äußere Ideale geprägt. Werbung, soziale Medien und gesellschaftliche Erwartungen setzen Maßstäbe, die mit der gelebten Realität vieler Frauen nicht vereinbar sind. Wichtig ist: Es gibt nicht „die eine“ Idealfigur. Entscheidend ist, wie wir uns fühlen – und was unser Körper braucht, um gesund zu bleiben.
Über 50 % aller Frauen nehmen in den Wechseljahren zu – im Schnitt 1,5 kg pro Jahr.
Vor allem das viszerale Fett im Bauchraum nimmt zu – ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.
Warum nehmen Frauen in den Wechseljahren zu?
Hormonelle Veränderungen
In den Wechseljahren sinkt der Östrogenspiegel kontinuierlich. Dieser Rückgang beeinflusst, wo und wie Fett gespeichert wird:
Fettverteilung: Vor den Wechseljahren lagert der Körper bevorzugt Fett an Hüften und Oberschenkeln – das sogenannte gynoide Muster. Mit sinkendem Östrogenspiegel verlagert sich die Fettverteilung zunehmend in den Bauchbereich – das sogenannte androide Muster, das mit einem höheren Gesundheitsrisiko verbunden ist.
Fettverarbeitung: Östrogen beeinflusst auch, wie effizient der Körper Nahrungsfette verarbeitet. Sinkt das Hormon, wird Fett häufiger gespeichert statt verwertet.
Verminderte Insulinsensitivität – eine stille Gefahr
Östrogen unterstützt die Wirkung von Insulin – einem Hormon, das den Blutzucker in die Körperzellen schleust. Mit dem Rückgang des Östrogenspiegels sinkt diese Sensitivität. Die Folgen:
Zucker bleibt im Blut, statt als Energie in den Zellen zu wirken.
Mehr Fett wird eingelagert, besonders im Bauchraum.
Heißhungerattacken und Müdigkeit können zunehmen.
Langfristig kann sich daraus ein sogenanntes metabolisches Syndrom entwickeln – eine Kombination aus Bauchfett, erhöhtem Blutdruck, gestörtem Zucker- und Fettstoffwechsel. Dieses erhöht nachweislich das Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Muskelabbau und weniger Bewegung
Mit dem Älterwerden nimmt die Muskelmasse natürlicherweise ab – ein Prozess, der durch hormonelle Veränderungen verstärkt wird. Gleichzeitig bewegen sich viele Frauen in der Lebensmitte weniger – sei es durch berufliche Belastung, familiäre Aufgaben oder körperliche Beschwerden.
Weniger Muskelmasse bedeutet: Weniger Kalorienverbrauch im Ruhezustand.
Der Grundumsatz sinkt – mit etwa 60 Jahren verbrennt der Körper täglich mehrere hundert Kalorien weniger als mit 20 Jahren.
Stress, Schlafmangel und Cortisol
Wechseljahre und Schlafprobleme gehen oft Hand in Hand. Gleichzeitig steigt bei vielen Frauen das Stresslevel – sei es durch berufliche Veränderungen, Pflege von Angehörigen oder innere Unruhe.
Dauerhafter Stress erhöht das Hormon Cortisol – und das fördert:
Fettspeicherung im Bauchbereich
Heißhunger auf Zucker und Fett
Störungen des natürlichen Hungergefühls
Und was passiert auf Zellebene?
Die hormonellen Veränderungen in den Wechseljahren wirken sich auch auf zentrale Prozesse im Körper aus – besonders auf den Fett- und Zuckerstoffwechsel. Dabei spielt nicht nur die Menge an Körperfett eine Rolle, sondern vor allem die Verteilung und die Aktivität bestimmter Fettdepots – insbesondere im Bauchraum. Ein zentrales Element sind die Blutfette und deren Zusammensetzung.
LDL (Low-Density-Lipoprotein): Oft als „schlechtes Cholesterin“ bezeichnet, weil es sich in den Arterien ablagern kann. Ist der LDL-Wert dauerhaft erhöht, steigt das Risiko für Arterienverkalkung (Atherosklerose) – eine Vorstufe von Herzinfarkt und Schlaganfall.
HDL (High-Density-Lipoprotein): Gilt als „gutes Cholesterin“, da es überschüssiges LDL aus dem Blut abtransportiert. Ein höherer HDL-Wert kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken.
Triglyzeride: Eine Form von Blutfett, die bei übermäßiger Aufnahme von Zucker und Fett erhöht sein kann. Hohe Triglyzeridwerte gelten als unabhängiger Risikofaktor für Herzkrankheiten.
Lipoprotein(a): Ein genetisch bestimmter Blutfettwert, der ebenfalls das Risiko für Herzinfarkt erhöht – unabhängig vom LDL.
Diese Werte werden durch Östrogen, Lebensstil und genetische Veranlagung beeinflusst. In den Wechseljahren kann sich das Gleichgewicht verschieben: LDL und Triglyzeride steigen oft an, HDL sinkt. Das kann still verlaufen – daher sind regelmäßige Blutuntersuchungen besonders wichtig.
Die beschriebenen Veränderungen erhöhen nicht nur das Risiko für Stoffwechselerkrankungen – sie machen auch deutlich, warum eine ganzheitliche Betrachtung von Gewicht, Ernährung, Bewegung und Hormonstatus so wichtig ist.
Gesundheitliche Auswirkungen der Gewichtszunahme
Eine moderate Gewichtszunahme an sich ist nicht automatisch ein Problem. Entscheidend ist, wo das Fett gespeichert wird – und wie sich Stoffwechselmarker wie Blutzucker, Blutfette und Blutdruck entwickeln. Besonders viszerales Fett – also jenes Fett, das sich um die inneren Organe im Bauchraum anlagert – ist hormonell aktiv und beeinflusst den gesamten Stoffwechsel negativ.
Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Viszerales Fett fördert Entzündungsprozesse im Körper, erhöht den Blutdruck und begünstigt die Bildung von Plaques in den Arterien – mit potenziell ernsten Folgen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Metabolisches Syndrom: Dieses Syndrom liegt vor, wenn mehrere Risikofaktoren gleichzeitig auftreten – etwa ein erhöhter Taillenumfang, hoher Blutdruck, ungünstige Blutfettwerte und eine gestörte Glukosetoleranz. Es gilt als Frühwarnsystem für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Psychische Auswirkungen: Viele Frauen erleben die körperlichen Veränderungen in den Wechseljahren als belastend. Gewichtszunahme kann das Selbstbild beeinträchtigen, Schamgefühle auslösen und zu einem gestörten Essverhalten führen. Dabei entsteht leicht ein Teufelskreis aus Frust, Diäten und weiteren Gewichtsschwankungen.
Was du tun kannst: Strategien zur Gewichtskontrolle
Viele der Veränderungen, die mit den Wechseljahren einhergehen, lassen sich nicht aufhalten – aber sehr wohl beeinflussen. Ziel ist nicht ein bestimmtes Körpergewicht, sondern ein gesunder Umgang mit dem eigenen Körper, ein stabiler Stoffwechsel und das Wohlbefinden im Alltag.
1. Gesundheitskompetenz stärken
Ein erster Schritt ist, die körperlichen Veränderungen zu verstehen – und sich nicht von unrealistischen Körperidealen unter Druck setzen zu lassen. Informierte Entscheidungen über Ernährung, Bewegung und medizinische Optionen geben dir Kontrolle über dein Wohlbefinden zurück.
2. Wichtige Werte im Blick behalten
Regelmäßige ärztliche Untersuchungen können helfen, stille Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen. Dazu gehören:
Blutfette: LDL, HDL, Triglyzeride, Lipoprotein(a)
Blutzuckerwerte: Nüchternblutzucker, HbA1c (der “Langzeitblutzucker”)
Schilddrüse: TSH – eine Schilddrüsenunterfunktion kann die Gewichtszunahme zusätzlich fördern
Blutdruck
Kardiovaskuläre Diagnostik: Bei erhöhtem Risiko kann eine Ultraschalluntersuchung der Halsschlagadern (Carotis-Duplex) sinnvoll sein
3. Ernährung – realistisch und wirkungsvoll
Eine ausgewogene, ballaststoffreiche und entzündungshemmende Ernährung kann nicht nur beim Gewicht helfen, sondern auch den Hormonhaushalt und das Wohlbefinden positiv beeinflussen:
Gesunde Fette: z. B. aus Avocado, Olivenöl, Nüssen und Samen
Mehr Ballaststoffe: Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Gemüse
Weniger Zucker & Weißmehlprodukte
Regelmäßige Mahlzeiten: statt ständigem Snacking
Ausreichend trinken – auch das unterstützt Stoffwechsel und Sättigung
4. Bewegung – vier Säulen für mehr Energie
Körperliche Aktivität ist einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf Gewicht, Hormonbalance und Stoffwechsel. Es geht nicht um Höchstleistung, sondern um Regelmäßigkeit:
Alltagsbewegung: z. B. Treppensteigen oder Gehen
Ausdauertraining: mind. 150 Minuten pro Woche – ideal sind z. B. Walking, Schwimmen, Radfahren oder im Gym
Krafttraining: 2–3 Mal pro Woche – unterstützt Muskelmasse und Grundumsatz: Hierzu ist nicht unbedingt ein Fitnessstudio notwendig. Es gibt mittlerweile gut Möglichkeiten zu Hause zu trainieren
Gleichgewicht und Mobilität: z. B. Yoga, Tai Chi oder gezielte Übungen – besonders wichtig für die Sturzprophylaxe
5. Stress und Schlaf bewusst regulieren
Dauerstress wirkt wie ein Fatburner-Stoppschild. Zu wenig Schlaf bringt die Appetitregulation durcheinander. Beides lässt sich nicht immer vermeiden – aber gut begleiten:
Stressreduktion: Atemtechniken, Meditation, kreative Pausen
Schlafhygiene: geregelte Zubettgehzeiten, kein Bildschirmlicht am Abend, Entspannungsrituale
Selbstmitgefühl statt Schuldgefühle: Der Druck, alles „im Griff“ zu haben, wirkt oft kontraproduktiv. Es ist okay, sich Unterstützung zu holen.
Welche Rolle spielt die menopausale Hormontherapie (MHT)?
Viele Frauen fragen sich, ob eine Hormontherapie in den Wechseljahren dabei hilft, einer Gewichtszunahme entgegenzuwirken – oder sogar beim Abnehmen unterstützt. Die wissenschaftliche Evidenz zeigt: MHT führt weder zu einer signifikanten Zu- noch Abnahme des Körpergewichts.
Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass sich unter MHT die ungünstige Umverteilung des Fetts in den Bauchraum abschwächen kann. Besonders das viszerale Fett – also das hormonell aktive Fett rund um die inneren Organe – nimmt unter Östrogengabe langsamer zu. Gleichzeitig kann die MHT helfen, Muskelmasse besser zu erhalten, was den Grundumsatz stabilisiert und den Stoffwechsel unterstützt.
Die Entscheidung für oder gegen eine Hormontherapie sollte immer individuell getroffen werden – gemeinsam mit einer gynäkologischen Fachperson. Wichtige Kriterien sind unter anderem:
Die Art und Schwere deiner Wechseljahresbeschwerden
Deine persönliche Krankengeschichte
Familiäre Risiken, z. B. für Brustkrebs oder Thrombosen
Eine MHT wird nicht mit dem Ziel verschrieben, das Gewicht zu regulieren. Dennoch kann sie indirekt zur Stoffwechselstabilität beitragen – und so auch die Lebensqualität verbessern.
Medikamentöse Unterstützung – was ist möglich?
Diese Medikamente – ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt – zeigen auch in der Adipositastherapie starke Effekte. Sie wirken über mehrere Mechanismen:
Verstärktes Sättigungsgefühl
Reduzierter Appetit
Verlangsamte Magenentleerung
Stabilisierung des Blutzuckerspiegels
Studien zeigen, dass viele Nutzerinnen 10 % oder mehr ihres Körpergewichts verlieren können – oft innerhalb weniger Monate.
Was du wissen solltest:
Die Medikamente werden einmal wöchentlich gespritzt.
Sie sind nur bei bestimmten medizinischen Indikationen zugelassen, z. B. bei einem BMI über 30 oder über 27 mit Begleiterkrankungen.
Häufige Nebenwirkungen sind Übelkeit, Völlegefühl oder Durchfall – meist vorübergehend.
Wichtig: Die Wirksamkeit hängt stark von der gleichzeitigen Lebensstilumstellung ab.
Ein kritischer Punkt: Nach Absetzen der Medikamente kehrt das Gewicht bei vielen Nutzerinnen innerhalb von 12 bis 24 Monaten nahezu zum Ausgangsniveau zurück – wenn keine dauerhaften Veränderungen in Ernährung, Bewegung und Muskelaufbau erfolgt sind. Dieses „Fenster des Abnehmens“ sollte daher unbedingt genutzt werden, um langfristige Strategien aufzubauen.
GLP-1-Agonisten können helfen, den Einstieg zu erleichtern – aber sie ersetzen keine gesunde Lebensweise.
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